„Wer keine Visionen hat, vermag weder große Hoffnungen zu erfüllen, noch große Vorhaben zu verwirklichen.“

 

-- Thomas Woodrow Wilson (1856-1924), 28. Präsident der USA (1913-21), Friedensnobelpreisträger (1919)

 

Redner:
Thomas H. Hock, Stadtrat, stv. Fraktionsvorsitzender der Freien Demokraten – FDP

– es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Kolleginnen und Kollegen,
sehr verehrte Bürgerinnen und Bürger,

es gibt viele Aufgaben, die wir in den nächsten Jahren angehen müssen. Darunter einige, die sehr viel Geld kosten. Es sind wichtige Aufgaben für die Entwicklung unserer Stadt. Aber es gibt eine Aufgabe, die alle anderen überragt. Das ist die Aufgabe, den inneren Zusammenhalt in unserer Stadt zu wahren. Wie Menschen zusammen leben, entscheidet sich nicht auf nationaler Ebene, sondern in den Gemeinden. Fehlt es hier an Zusammenhalt, an Bürgersinn, am Willen zum Miteinander, dann stimmt etwas im gesamten Land nicht mehr.

Wir alle spüren, mehr als in den letzten Jahrzehnten, dass diese grundlegenden Werte in Gefahr sind. Dass sie überlagert werden von Ängsten, von bestimmten und unbestimmten; von zunehmendem Misstrauen gegenüber dem Anderen. Ausgelöst von einer Welt, in der Verbrechen im Namen von Religion oder Volkszugehörigkeit ausgeübt werden und eine Völkerwanderung in Richtung Wohlstand von ungeheurem Ausmaß begonnen hat.

Natürlich hat die Welle der Verunsicherung auch Karlsruhe erreicht. Die Verunsicherung hat ihre Gründe und sucht sich ihre Symbolthemen, wie die bundesweite Sommerdiskussion um die Burka oder die eruptive Aufregung um den geplanten Bau einer Moschee zuletzt in unserer Stadt gezeigt hat. Das alles ist ebenso nachvollziehbar wie höchst gefährlich. Auf dem Prüfstand stehen Werte wie Vertrauen und Gemeinsinn, ohne die ein lebenswertes Miteinander nicht möglich ist. Die Spirale hat begonnen sich zu drehen, sie reicht von Verunsicherung über Angst bis hin zu Ablehnung und Aggression. An dieser Stelle sagen wir: Ruhig bleiben; Ruhe bewahren! Wir brauchen eine Denkpause, um zu verhindern, dass sich die Spirale weiter dreht. Das heißt, an uns alle gerichtet: Nicht jeder dunkelhaarige bärtige Mann ist ein potentieller Terrorist. Niemand gibt Anlass für einen Generalverdacht, nur weil er Moslem ist. Das Kopftuch an sich schießt nicht. Und: Der türkische Gemüsehändler und seine Familie, die seit Jahrzehnten unter uns leben, sind nicht auf dem Weg in den Djihad. Gleichzeitig an die Seite der Muslime gerichtet: Es gibt Sitten und Gebräuche, die derjenige zu übernehmen hat, der ein achtenswertes Mitglied unserer Gesellschaft sein will. In Deutschland hat man einer Frau die Hand zu geben. Das tut nicht weh. Und junge Frauen und Mädchen versteckt man nicht zu Hause. Wenn sie mit 17 einen deutschen Freund nach Hause bringen, ist das kein Grund, sie in die Türkei zu schicken oder mit dem Bruder Rachepläne zu schmieden.

Es ist in diesem Zusammenhang leider richtig: Der Islam wird benutzt, um Verbrechen auszugeben, die keinerlei Verständnis verdienen. Und um Menschen zu verführen, denen dann später jeglicher Sinn für Menschlichkeit abhanden kommt, wenn sie den Munitionsgürtel umschnallen oder die Machete in die Hand nehmen. Niemand weiß, ob es nicht auch in unserer Stadt geschieht. Genau das führt zu der Aufgabe für uns alle: wir dürfen einerseits die Kraft zu einem vorbeugenden Vertrauen nicht verlieren und gleichzeitig alle in die Pflicht nehmen, nicht nur die gesetzlichen, sondern auch die sozialen Grundlagen unseres Zusammenlebens strikt einzuhalten und zu verteidigen.

Nochmals deutlich: Ein Sündenbock kann immer nur ein Einzelner sein, niemals eine Gemeinschaft.
Dieses „achtsame Vertrauen“ sollte uns begleiten durch die sicher nicht einfachen nächsten Jahre. Wir setzen dabei auf eine mehrheitliche Unterstützung in diesem Haus. Wir sollten nicht durch eine Radikalisierung der politischen Diskussion der Gewaltbereitschaft Vorschub leisten. Das sind wir, bei allem notwendigen Streit in Sachfragen, unserer Bevölkerung schuldig.

Nicht schuldig bleiben wollen wir unserer Bevölkerung den Haushalt der kommenden zwei Jahre. Bevor ich mich dessen Eckpfeilern widme, möchte ich mit dem Dank beginnen: Mein Dank und der meiner Fraktion gilt der Finanzdezernentin, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtkämmerei und in diesem Jahr auch den vielen engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der gesamten Stadtverwaltung. Alle haben in Projektgruppen am Haushaltsstabilisierungsprozess mitgearbeitet. Ein weiterer Dank an Sie, Herr Oberbürgermeister, und die Kolleginnen und Kollegen; wir stellen diesmal den Doppelhaushalt so früh auf, wie noch nie. Ich bin dankbar, dass wir mit dieser Zeitschiene vielen Transferleistungsempfängern die Jahresplanung und damit die Planung für und mit Ihren Mitarbeitenden um einiges einfacher gestalten können.

Der Dank an die Verwaltung führt mich direkt zum ersten Themenkomplex: Die moderne Verwaltung.

Hier sehen die Freien Demokraten einen großen Handlungsbedarf. Bei der Frage der Digitalisierung sowie der Struktur und Organisation.
Die Digitalisierung hält mehr und mehr Einzug in alle Bereiche des öffentlichen Lebens. So auch in die Verwaltung unserer Kommune. Eine kürzlich erstellte Studie der pwc (PricewaterhouseCoopers) bescheinigt, dass sich durch die Digitalisierung der erwartete Engpass von 4,2 Millionen Arbeitskräften in Deutschland bis 2030 um die Hälfte reduziert. Die Studie weist aus, dass die Digitalisierung kein „Jobkiller“ ist, sondern uns auf festen Boden stellt, um ergebniseffizient agieren zu können. Diese Chancen müssen wir nutzen!

Bei der Struktur und der Organisation unserer Verwaltung appellieren die Freien Demokraten schon seit Längerem an eine stärkere Vernetzung der verschiedenen Ämter; hier kann die Digitalisierung helfen, aber nur, wenn ämterübergreifendes, gemeinsames Denken und Handeln auch entsprechend eingefordert und gefördert wird. Zusätzlich wünschen wir uns eine Verstärkung des Begriffs „öffentlicher Dienst“ hin zu „Service für die Karlsruher Bürgerinnen und Bürger“ – dieses Selbstverständnis muss gestärkt werden.

Ein Paradethema der Liberalen, ist die Frage nach einer Internationalisierungsstrategie. Im Jahr 2015 auf den Antrag der FDP gemeinsam mit der GfK und den Freien Wählern zum Thema „Botschafter für Karlsruhe“ sicherten Sie, Herr Oberbürgermeister, zu, dem Gemeinderat bis zum Ende des Jahres (wohlgemerkt, damals war es 2015) ein Konzept vorzulegen. Dieses Konzept kam nicht. In der damaligen Debatte äußerten sich viele Kolleginnen und Kollegen, dass auch aus deren Reihen bereits Anträge hierzu gestellt wurden. Herr Oberbürgermeister, es ist ein Wunsch des Gemeinderats, dass hier endlich etwas passiert. Nun haben Sie vor einigen Wochen per Brief uns damaligen Antragsstellern mitgeteilt, dass Sie das Projekt „Botschafter“ nicht mehr als prioritär erachten und daher auch mit Blick auf die Haushaltssituation darauf verzichten möchten. Herr Dr. Mentrup, in der Sitzung vom 29. September 2015 schlossen Sie die Debatte mit den Worten „Es ist nicht so, dass wir sagen, wir wursteln an einem Konzeptherum, sondern wir haben im Grunde ein Konzept (…)Wir haben bisher das Konzept noch nicht vorgestellt, weil wir erst noch über die Mitfinanzierung von Dritten versuchen, das Ganze ein bisschen zu flankieren (…) Insofern ist es so, dass wir damit wirklich kommen.(…)“ Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, was ist nun aus diesen markigen, Mut machenden Worten geworden? Ein Brief, der besagt, ach nein, lieber doch nicht! Karlsruhe fehlt in allen Aktionsbereichen der Wirtschaftsförderung, der Kultur, der Wissenschaft, dem Messe- und Kongresswesen oder dem Tourismus eine schlagkräftige Internationalisierungsstrategie. Wenn diese nicht kommt, sind wir nach Baustellenhauptstadt bald Provinzhauptstadt.

Die Provinzhauptstadt möchten wir durch die Verknüpfung Karlsruhes mit der Region abwenden. Die FDP-Fraktion steht uneingeschränkt zur Neuordnung der TechnologieRegion Karlsruhe. Wir wollen neue Strukturen schaffen und die Kompetenzen unserer Wirtschaft eng einbinden. Nicht nur die traditionellen, wichtigen, großen Unternehmen, sondern auch kleinere und mittelgroße Unternehmen, da wir gerade hier oft spannende und innovative Entwicklungen vorfinden. Gerade die TechnologieRegion Karlsruhe hat exzellente Möglichkeiten, Wissenschaft und Wirtschaft miteinander zu verbinden und mit einem Fokus auf „Energie und Klima“ zukunftsfähige Projekte in die Praxis umzusetzen. Hier dürfen wir jetzt nicht klein und regional denken, hier müssen Visionen für eine größere Verankerung gedacht werden. Dieses aktive Standortmarketing, diese Lobbyarbeit für unsere Stadt sollte in breitem Konsens von allen Vertreterinnen und Vertretern dieses Hauses unterstützt werden; lassen Sie uns alle gemeinsam zu Lobbyisten für Karlsruhe werden!

Die Verbindung in die Region ist auch die Überleitung zur Mobilität in und um Karlsruhe. Die Weiterentwicklung des ÖPNV ist in vollem Gange; die Barrierefreiheit wird hier ein wichtiges Thema sein. Meine Fraktion hat bereits vor einigen Wochen bei den Verkehrsbetrieben angefragt, ob die Gestaltung der Sitze für mobilitätseingeschränkte Personen nicht etwas deutlicher sein könne, so dass diese Plätze auch wirklich frei bleiben für den Bedarfsfall.

Sehr zu begrüßen ist die Einlassung der Stadt Karlsruhe auf die neuen Bereiche der Technologie. So ist das Feld, das Karlsruhe für das Erforschen des autonomen Fahrens frei macht, ein Schritt hin zum Mobilitätsmanagement der Zukunft. Für die Wirtschaftsregion Karlsruhe ist die zweite Rheinbrücke ein Thema der Mobilität. Die angrenzenden Unternehmen fordern die zweite Rheinbrücke bereits länger. In der jüngeren Vergangenheit hat sich nun doch ein wenig getan. Es entsteht gerade ein leichtes Durcheinander; wo soll die Brücke stehen? Wohin soll sie angebunden werden? Soll die Anbindung an die B36 sofort kommen? Für die FDP bleibt die Aussage wie in den vergangenen Jahren klar: der Standort nördlich der bisherigen Brücke ist von uns akzeptiert, obwohl wir sie ursprünglich weiter nördlich haben wollten; ebenfalls akzeptieren wir, dass es zwei Planfeststellungsverfahren geben muss, ABER: der Baubeginn der Brücke kann nur zeitgleich mit dem Baubeginn des Anschlusses an die B36 geschehen; alles andere wäre verkehrspolitischer Irrsinn. Verkehrsminister Hermann hätte sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, dass er sich mal auf der Seite der FDP wieder findet, aber in diesem Fall begrüßen wir ihn herzlich; wahrscheinlich herzlicher als die Karlsruher Grünen es in dieser Zeit tun.

Die Innenstadt von Karlsruhe sowie ihre Händlerinnen und Händler sollen von einer fließenden Mobilität profitieren. Dieser Bereich wird uns in den kommenden Jahren verstärkt beschäftigen. Einerseits werden wir ein verändertes Gesicht der Innenstadt vorfinden, andererseits müssen wir uns die Frage der Attraktivität unserer Verkaufsstraße stellen und wie wir den dortigen Handel unterstützen können, um uns Überschriften, wie „Von der Politik allein gelassen“ in Zukunft zu ersparen. Die Freien Demokraten haben hier mit dem Antrag auf eine Markthalle für Karlsruhe einen Vorschlag unterbreitet; wir sind froh, dass dieser in den Gremien weiter beraten wird und bauen darauf, dass unsere Idee verfolgt und umgesetzt werden kann. Der inhabergeführte Einzelhandel mutiert in Karlsruhe immer mehr zur schützenswerten Spezies. Allerdings sind es diese Läden, diese Geschäfte, dieser Handel, der unsere Innenstädte attraktiv und konkurrenzfähig gegenüber den „Outlet-Cities“ auf der grünen Wiese machen. Diese Inhaberinnen und Inhaber sind es, die eigenverantwortlich wirtschaften, Arbeitsplätze schaffen und sie sind es, denen wir die Rahmenbedingungen liefern müssen. Vor allem aber müssen wir in Zukunft für ganz Karlsruhe zwei Dinge nachhaltig sichern: Sauberkeit und Sicherheit!
Viele Mitbürgerrinnen und Mitbürger in unserer Stadt sehen die Sicherheit als den wichtigsten Handlungsschwerpunkt der Stadtpolitikan. Wir von den Freien Demokraten haben in den letzten Jahren seit dem Aufbau des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) immer wieder von Problemen bei der Personalstärke Kenntnis bekommen, waren und sind aber der festen Meinung, dass wir unsere Landesregierung nicht aus Ihrer Pflicht entbinden wollen, neue, gut ausgebildete Polizeibeamte auf die Straßen Karlsruhes zu bringen. Dennoch sind wir bei allen Meldungen und dem veröffentlichten Sicherheitsbericht 2015 heute der festen Meinung, dass wir handeln müssen. Die FDP-Fraktion wird deshalb im Zuge der Haushaltsberatungen einen Antrag zur Aufstockung des KOD stellen. Damit verändert meine Fraktion ihre Haltung zu diesem Thema. Warum? Die Landesregierung hat ihre Aufgabe bisher nicht erfüllt; nichts ist geschehen. Also müssen wir die Verantwortung in die Hand nehmen und jetzt entschieden, gemeinsam handeln. Auch deshalb, meine Damen und Herren, haben wir uns einer notwendigen Haushaltsstabilisierung nicht verweigert, um in Zukunft unter anderem in diesem sensiblen Punkt, dem Sicherheitsempfinden unserer Bürgerinnen und Bürger, der Sicherheit in unserer Stadt, handlungsfähig zu bleiben. Wir hoffen auf eine breite Unterstützung zu dem angekündigten Haushaltsantrag der FDP.

Einen Satz aus Ihrer Rede Herr Dr. Mentrup möchte ich an dieser Stelle zitieren: „Der Trend geht verstärkt zum Wohnen in der Innenstadt.“ Meine Fraktion freut sich sehr, dass diese Erkenntnis nun auch nachweislich auf der Bürgermeisterbank angekommen ist. Wir, die Freien Demokraten – FDP haben in der Vergangenheit des Öfteren gefordert, Verwaltungsgebäude in der Innenstadt für Wohnraum frei zu machen. Verwaltungsnutzung in der Innenstadt ist schön, aber unnütz im Sinne einer Stadt, die nach Wohnraum suchen muss. Rund um den Zirkel oder in der Hebelstraße sowie der Zähringerstraße sind viele Immobilien, die mit wenig Aufwand zu Wohnraum umgenutzt werden könnten, derzeit aber von der Stadt- und Landesverwaltung besetzt sind. Für die Verwaltung wäre eine Innenstadtrandlage problemlos machbar; für die Innenstadt würde mehr Wohnraum auch mehr soziale Kontrolle bedeuten. Im Zuge der Sanierung der Innenstadt und der Stadtteilentwicklung „Innenstadt Ost“ wäre es nun an der Verwaltung, die eigenen Flächen frei zu geben. Mit den Anträgen zum „Innenstadt- Wohnen“, „Bauen in die Höhe“, dem „Behördenzentrum hinterm Bahnhof“ oder der „Überbauung von Parkplätzen“ hat die FDP-Fraktion nun bereits mehrfach Vorschläge gemacht, die Wohnungsknappheit abzumildern und die attraktive Lage in der Karlsruher Innenstadt zu nutzen. Es ist an der Zeit, dass diese Visionen auch umgesetzt werden!

Ein weiterer Satz Ihrer Rede, Herr Dr. Mentrup, verdient es zitiert zu werden: „Dabei ist die Sauberkeit der Stadt nicht nur Sache der Stadtverwaltung, sondern auch ihrer Bürgerinnen und Bürger.“ Genau das stimmt; die Sauberkeit in unserer Stadt müssen wir Bürger auch selber sichern. Es bleibt jedoch ein fahler Beigeschmack. Meine Damen und Herren, es wäre keine Rede der FDP, wenn ich beim Thema Sauberkeit nicht auch unser Amt für Abfallwirtschaft (AfA) ansprechen würde; unseren Koloss auf tönernen Füßen. Zwar sagt der Oberbürgermeister, dass die Sauberkeit ́nicht nur Sache der Stadtverwaltung ́ sei, aber gleichzeitig reißt erst das AfA alles an sich, um dann im Zuge der Haushaltsstabilisierung kleinlaut die eine oder andere Privatisierung vorzuschlagen – da waren wohl so manche Ideen doch nicht mit der alles- vereinnehmenden Daseinsvorsorge gesichert! Unseren Hausmüll hat das AfA mit einem Kontrollchip versehen, der Papiermüll darf nun endlich in seine eigene, blaue, städtische Tonne und die Altkleidersammlung musste dringend in städtische Hände; meine Damen und Herren, die Staatswirtschaft lebt – interessant nur, dass parallel die Abfallgebühren in die Höhe wuchsen und keine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger stattfand. Wichtig ist mir an dieser Stelle zu betonen, dass die Verantwortlichen für diesen Missstand hier im Rat und auf der ehrwürdigen Bank sitzen und nicht in den Fachämtern!

Dieses teils unüberlegte Verhalten ist es auch, was die Wirtschaft in Karlsruhe immer wieder irritiert. Immer wieder gibt es Bemühungen, den Standort Karlsruhe attraktiv für Firmen und für Gründer zu machen. Unser Gründerzentrum kam langsam ins Laufen, schon erhöhen wir die Gewerbesteuer; die kleinen und mittelständischen Unternehmen, wie unsere so wichtigen Handwerker sind gerade nochmal einer grün-roten Novelle der Gemeindeordnung entkommen, schon spricht die Berliner GroKo von einer blauen Plakette, bzw. möchte sich jetzt „weitere Gedanken machen“ – schon fast klingt es wie eine Drohung. Ich werde das Gefühl nicht los, dass auch die Leitung der Stadtverwaltung den Dialog mit den ortsansässigen Firmen nicht pflegt. In Ihrer Rede hat die Wirtschaftsbürgermeisterin eine einzige Forderung der Wirtschaft in Karlsruhe aufgenommen, aber außer zu den eigenen Tochterfirmen gab es nicht einen Satz zur freien Wirtschaft unserer Stadt. Sehr geehrte Frau Luczak-Schwarz, ich möchte Sie zu einem offenen Dialog mit der Wirtschaft aufrufen – und dazu gehören auch unsere inhabergeführten Geschäfte; und zwar nicht nur die auf der Kaiserstraße, sondern auch diejenigen in den Stadtteilen, wie z.B. Mühlburg, Durlach, Neureut oder der Südstadt. Unsere Wirtschaft ist es, die Karlsruher Bürgerinnen und Bürger in Arbeit bringt, selber Steuern zahlt und ein Steueraufkommen erarbeitet, welches es uns ermöglicht als Stadt Karlsruhe eine soziale Stadt zu bleiben.

Die Handlungsschwerpunkte Inklusion und Integration werden uns in Karlsruhe zukünftig stärker begleiten und immer größeren Raum einnehmen. Die Inklusion in unseren Schulen ist meiner Fraktion ein starkes Anliegen. Dies bei der Beibehaltung von Wunsch- und Wahlrecht der Eltern. Eine Qualitätssicherung bei der inklusiven Beschulung muss gewährleistet werden; für die Betroffenen, die Mitschüler aber auch für die Lehrerinnen und Lehrer – denn gerade auch deren Berufsbild verändert sich durch die Inklusion zusehends. Allgemein ist festzuhalten, dass die Karlsruher Schullandschaft sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt hat und wir diesen Weg gerne fortführen wollen. Für unsere Initiative zur Öffnung der Schulhöfe während der Ferienzeit sind wir sehr dankbar – dankbar sind wir auch, dass die Entwicklung der Schulräume in den kommenden Jahren ausgebaut werden kann und so weitere Schulen, die bisher nicht zum Zuge kamen, von Renovierungen und Innovationen profitieren werden.

„Karlsruhe ist eine moderne Stadt der Vielfalt. Seit ihrer Gründung haben hier viele unterschiedliche Menschen unterschiedlicher Herkunft, kultureller Sozialisation und religiöser Überzeugung ihr Zuhause gefunden. Ihre
Zuwanderung ist in der Rückschau für die Stadt Bereicherung und Zugewinn gewesen.“ – so sagt es der Karlsruher Integrationsplan und genau dies kann und will ich gerne unterschreiben. Lassen Sie uns angstfrei auf alle Ankommenden schauen. Denn nur weltoffen und befreit von irrationalen Ängsten, konnte Boateng auch unser Nachbar werden. Allen Organisationen und ausdrücklich allen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, möchte ich den Dank meiner Fraktion aussprechen; ohne ihr großes Engagement ist es nicht möglich den Anforderungen gerecht zu werden.

Einen Beitrag zur Integration und zur „sozialen Stadt“ leistet in Karlsruhe auch der Sport. Der Breitensport mit all seinen Ehrenamtlichen ist unersetzbar für die Karlsruher Stadtgesellschaft. Mit unserer Kooperation Schule/Verein/Sport; nach dem Vorbild Schule und Kultur leistet die Stadt an dieser Stelle einen Beitrag, das Ehrenamt zu unterstützen. Was uns als Liberalen besonders entgegenkommt, ist unser Karlsruher Modell der besitzenden Vereine, die in Eigenverantwortung und ehrenamtlich ihre Geschäfte führen. Das unterstützen wir auch finanziell gerne, denn dieses Engagement entlastet und bereichert unsere Kommune. Die Verantwortung für Sportstätten- und plätze obliegt bei uns dem Ehrenamt. Viel Gutes erwarten wir von unserer aktuellen Sportentwicklungsplanung. Hier sollen Entwicklungen aus den Karlsruher Sportgesprächen mit einfließen. Gleichzeitig gilt für uns, dass die Förderung des Leistungssports eine ebenso wichtige Aufgabe unserer Stadt sein muss. Wenn es keine Spitze gibt, kommt die Breite nicht vor. Der Leistungssport sorgt für die Anerkennung einer Sportart, sorgt für Fans, Freunde und Mitglieder, für Bekanntheit und Beliebtheit. Zusätzlich dient er der Stadt Karlsruhe als Marketinginstrument. All diese Punkte werden sträflich vernachlässigt, wenn Förderungen für den Leistungssport entfallen. Die Abschaffung des INDOOR MEETING hätte durch Einsparung der Ausgaben Geld in die Kasse gebracht, aber die Stadt ein großes Renomee gekostet. Die adäquaten Werbekosten für Karlsruhe sind mehrfach teurer als die Förderung des Sports. Daher werden sich die Freien Demokraten auch weiterhin für die Unterstützung des Leistungssports einsetzen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, acht mal kommt das Wort Kultur in Ihrer Rede vor – mal nur als Wortbaustein – nie geht es dabei aber um die Kultur in Karlsruhe. Die Heimattage sind nach dem erfolgreichen Stadtgeburtstag vielleicht ein Highlight im Jahr 2017; aber doch bitte keine Landmarke für Karlsruhe; oder wie berechnen Sie die Größe dieses Festivals? Was uns fehlt, sind Visionen für die Karlsruher Kultur. Zugegeben, auch unsere Kulturlandschaft hat mit der Haushaltsstabilisierung zu kämpfen, ja, aber kein Grund, diese reiche und bereichernde Kulturszene in den kommenden Jahren perspektivisch zu vernachlässigen. Das Staatstheater hat mit seinem Neubau die Chance eine bisher noch nicht gegebene Öffnung in die Stadt vorzu nehmen, die freie Kulturszene rund um die Leuchttürme Substage und Tollhaus brauchen starke Bekenntnisse der Politik, Denkmalschutz- und Brandschutzverordnungen schnüren die, oft in historischen Gebäuden befindlichen, Kunstmuseen stark ein… All diese kleinen Brandherde werden nach und nach einen Steppenbrand ergeben, den wir heute mit einer visionären Kulturpolitik aufhalten müssen.

Im Zusammenhang mit der Kultur ist es zwingend logisch, die Wissenschaft in Karlsruhe ebenfalls zu betrachten. Hier haben wir mit der Informations- und Kommunikations-Technik (IKT) eine Spitzenposition in Europa. Diese gilt es auszubauen und dabei auch die Wirtschaftsakteure mitzunehmen. Aber der Wissenschaftsstandort Karlsruhe umfasst weitaus mehr. Karlsruhe verfügt über mehr als 26 nationale und internationale Forschungseinrichtungen. Rund 42.000 Studierende an neun Karlsruher Hochschulen prägen das Bild unserer Stadt. Die nachhaltige Stärkung, Vernetzung und Vermarktung Karlsruhes als Innovations- und Wissenschaftsstandort im Zusammenhang mit einem attraktiven Wirtschaftsstandort für Gründer, Unternehmer und Arbeitssuchende sollte vorrangige Aufgabe in den kommenden Jahren sein.

Für die vor uns liegenden Jahre möchte ich noch ein paar Erwartungen, ja quasi Wünsche formulieren:
Die Generationengerechtigkeit wird immer wieder wie ein sanftes Menetekel in den Raum gestellt. Hier wünsche ich mir ein Umdenken. Generationengerechtigkeit ist wichtig für die Handlungsleitlinien eines Gemeinderats. Aber, nehmen Sie das biblische Gleichnis von den anvertrauten Talenten aus Lukas 19: Hier sollen drei Diener aus jeweils derselben Geldmenge, die ihnen anvertraut ist, etwas machen, bis der Herr zurückkehrt. Zwei verdoppeln es, einer versteckt es, um es nachher unangetastet zurückzugeben. Bestraft wird im Gleichnis nur der Dritte, der eben nichts aus dem ihm anvertrauten Geld gemacht hat. Meine Damen und Herren, generationengerecht ist es nicht, wenn wir den nachfolgenden Generationen sagen: „Schön ist es nicht mehr, aber ihr habt das selbe, was wir damals hatten.“ Das ist nicht gerecht, das ist generationenverachtend – lassen Sie uns gemeinsam die Stadt entwickeln und für die folgenden Generationen fit machen!

In diesem Zusammenhang sehe ich auch eine Haushaltsinnovation der Stadt bisher noch ungenutzt:

Die Stadt Karlsruhe hat schon seit längerem auf das doppische System umgestellt. Ich würde mir wünschen, dass die Errungenschaft des doppischen Systems, nämlich die Darstellungsmöglichkeit des „Wertes unserer Stadt“ jetzt auch unseren Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht wird. Welchen Wert haben unsere Investitionen, unsere Immobilien? Wie hoch ist die Wertschöpfung, die verschiedene Stadtparlamente in ihren Sitzungsperioden erreicht haben? Mit der Darstellung dieser Werte können wir in der Öffentlichkeit verdeutlichen, warum fließende Investitionen für eine Stadt von immenser Wichtigkeit sind. Hier bitte ich Sie, Frau Finanzbürgermeisterin, um mehr Transparenz.

In den Bereichen Wirtschaft und Wohnen geht es in den letzten Monaten verstärkt um Flächen. Hier möchte ich einen Wunsch an die Stadtverwaltung äußern: Wenn wir Gebäude im eignen Bestand gerade in der Innenstadt nicht mehr nutzen, wie z.B. die alte Feuerwache, dann bitte, geben Sie diese Gebäude aus der Hand, auf den freien Markt, bevor über eine interne Umnutzung nachgedacht wird. Prüfen Sie, ob die Maxime „Verkaufen statt selber nutzen“ öfter zum Tragen kommen könnte.

In seiner Haushaltsrede zum Doppelhaushalt 2015/16 sagte der Kollege Wohlfeil: „Die Kommunalwahl brachte Karlsruhe neue Frische. So viele junge Menschen und so viele Gruppierungen waren noch nie im Gemeinderat vertreten.“ Lieber Erik, da hast Du Recht und auch die FDP begrüßt die Vielfalt, die wir hier im Gemeinderat erhalten haben. Stolz sein dürfen wir alle auf das, was wir im Zuge der Haushaltsstabilisierung bisher erreicht haben; auch wenn ein Stadtrat uns dafür spöttisch eine „große Koalition der Sparkommissare“ nennt. Wir werden immer wieder beweisen müssen, dass wir gemeinsam agieren können, ohne die eigene Identität zu verlieren. Wir müssen gemeinsam der Aussage entgegen treten „in Karlsruhe herrschten Weimarer Verhältnisse“. Die Vielfalt im Rat ist zu begrüßen, aber auseinander dividieren lassen wir uns nicht, wenn es um die Handlungsfähigkeit unserer Stadt und damit um das Wohl unserer Bürgerinnen und Bürger geht – und das, Kollege Fostiropoulos, darf man nicht mit kleingeistiger Parteipolemik herunterspielen.

Sehr geehrter Dr. Mentrup, der 28. Präsident der USA, Thomas Woodrow Wilson sagte: „Wer keine Visionen hat, vermag weder große Hoffnungen zu erfüllen, noch große Vorhaben zu verwirklichen.“ Und bevor Sie mir mit Helmut Schmidt antworten wollen, der sagte, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen, appelliere ich an Ihr Verantwortungsgefühl: Geben Sie mir und meiner Fraktion die Möglichkeit, spätestens bei der nächsten Haushaltsrede, Ihre Visionen, Ihre Strategien für Karlsruhe zu hören – das soll für heute meine letzte Bitte gewesen sein.