Rednerin: Stadträtin Annette Böringer, FDP-Fraktion

-zitierfähiges Skript, es gilt das gesprochene Wort-

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

wie hält man eine Haushaltsrede, ohne tragfähigen Haushalt? Wie blickt man auf 2021, wenn wir gar nicht wissen, wie das gesellschaftliche Leben in den nächsten Tagen weitergeht?

Herr Dr. Mentrup, in der Vorbereitung auf meine erste Haushaltsrede habe ich die vergangenen Reden meiner Vorgänger der FDP-Fraktion studiert. Alle besagten, Ihnen sei die Haushaltsrede misslungen, Ihnen fehlten Visionen, Ihnen mangelte es an Gestaltungswillen. So gerne hätte ich die Reden meiner Vorgänger heute widerlegt. Erschreckend ist, dass ich die Lage noch schlimmer vorfinde. Mir bleibt nur übrig zu konstatieren: Meine Vorgänger hatten Recht, allerdings waren damals die Kassen voll!

Ihre Rede zum Haushalt, Herr Oberbürgermeister, blieb ungenau, vage und gestaltungsarm. Statt Antworten zu geben, stellten Sie Fragen. Sie nutzten gar die desaströse Haushaltslage, um Schreckgespenster wie eine Erhöhung der Gewerbesteuer oder eine City-Maut in Erwägung zu ziehen. Herr Oberbürgermeister, das ist jetzt ein fatales Signal für die Wirtschaft, den Handel, die Gastronomie, Hotellerie und das Handwerk in unserer Stadt. Wenn das der Inhalt von „Karlsruhe. Gemeinsam. Gestalten“ sein soll, wird mir angst und bange.

Meine Damen und Herren, diese Haushaltslage stellt uns alle vor besondere Herausforderungen. Ich freue mich, diesem mutigen Gremium anzugehören, das sich den Aufgaben stellt. Das Ziel solider Finanzen und einer stabilen Zukunft für unsere Stadt sollten wir alle im Blick haben. Ich möchte es deutlich sagen: Wir dürfen die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger nicht dem Schicksal überlassen, wir müssen dieses gestalten.

Grundsätzlich müssen wir festhalten, dass in den letzten Jahrzehnten gut gewirtschaftet wurde. Sehr geehrte Frau Erste Bürgermeisterin, ich bin nicht mit allen Ideen aus Ihrer Rede einverstanden. So sehe ich die Volkswohnung selbst als notwendigen Partner bei der Schaffung von bezahlbarem und klimagerechtem Wohnraum. Die Idee, hier Gelder für andere Aufgaben abzuziehen, steht dem Ziel, in Karlsruhe das Wohnen nicht zu verteuern, entgegen und wird von uns abgelehnt. Aber ich bin dankbar für Ihre schonungslose Darstellung der desaströsen Haushaltslage. Sie stellten fest, ich zitiere „die Kommunen sahen sich bereits an einem Scheidepunkt, BEVOR COVID19 sich (…) ausbreitete“. Die alarmierende Lage des Haushalts war also bereits vor der Pandemie bekannt.

Betrachten wir also den vorgelegten Haushalt: Der Sozialetat ist auch in diesem Jahr wieder der größte Posten im Haushalt. Wir sind froh, dass Karlsruhe so viele Angebote zur sozialen Teilhabe machen kann. Das soziale Gleichgewicht in unserer Stadt darf nicht gefährdet werden. Der soziale Zusammenhalt einer Kommune darf nicht durch Ausgaben für Klimawandel, Wohnen, Bildung und vieles mehr in Schieflage geraten.

Dies soll auch der FDP-Fraktion Leitfaden sein: Bestehendes soll erhalten bleiben, Existenzen gesichert, coronabedingte Ausfälle ausgeglichen werden. Aber Neues wird nicht geschaffen werden können. Wer bei dieser Haushaltslage auch noch die freiwilligen Leistungen erhöht, verkennt letztlich die Auswirkungen auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

Die jetzigen Akteure in den diversen Bereichen sollen die Sicherheit haben, dass ihre Arbeit gewürdigt ist und fortgeführt werden kann.

Die vielfältige Kulturszene Karlsruhes muss erhalten bleiben. Ein Kultursterben gilt es zu verhindern. Wir haben Verständnis dafür, dass viele Akteure, notwendigerweise eine Angleichung der Finanzmittel benötigen. Für das kommende Haushaltsjahr werden wir dies nicht bewältigen können. Über Erhöhungen wollen wir gerne bei der Aufstellung des nächsten Doppelhaushalts sprechen.

Der Sport in unserer Stadt, mit seinen eigenverantwortlichen „besitzenden Vereinen“ entlastet die Stadt finanziell und strukturell. Das Tennisturnier in Rüppurr, das Indoor-Meeting, die PSK-Lions oder der KSC sind sportliche Leuchttürme für unsere Stadt. Wir stehen zu diesen Lichtgebern, aber auch zu den kleinen Leuchtfeuern wie unseren Schwimmbädern, den vielen Bolz- und Sportplätzen oder den zahlreichen Vereinen des Breitensports. Spitzensport und Breitensport bedingen sich einander, sie gehören zusammen, sind die beiden Seiten einer Medaille. Ein Stadionneubau wird in unserer Stadtgesellschaft nur akzeptiert, wenn wir auch Vereine, Bäder und Bolzplätze auf der unteren Ebene mitnehmen. Dafür steht die FDP.

Soziales, Kultur und Sport sollen wissen: Die Existenzen jedes Einzelnen sollen gesichert werden. Ausbau der Strukturen ist bei diesem Haushalt nicht möglich.

Deutlich machen möchte ich: Diese Entscheidung ist eine Folge aus der vorgelegten Haushaltslage, und nicht freie Wahl der FDP-Fraktion!

Und dennoch möchten wir von der FDP festhalten: Wir müssen die Schwachen mitnehmen, wir müssen die ältere Generation berücksichtigen, wir müssen den Benachteiligten helfen. Das sind die „Mitnahmeeffekte“, die in unserer Gesellschaft wirtschaften sollen; evident, relevant und nachhaltig sind.

Wir wissen, dass Bildung der Schlüssel zur Zukunft ist. Daher wünschen wir uns die beste Qualität und ein vielfältiges Bildungsangebot. Der hochqualitative und professionelle Kindergarten mit durchdachten pädagogischen Konzepten ist ein integraler Bestandteil unserer Bildungslandschaft. Wir möchten unsere Kitas gemeinsam mit den privaten Trägern entwickeln. Daher unterstützen wir die schon seit langem beschlossene Deckelung der Elternbeiträge für die Kitas. Die Diskussion über eine mögliche Beitragsfreiheit sollte auf Landesebene geführt werden.

Gerne hätte ich für den Bereich Umwelt heute über Errungenschaften, erreichte Ziele und Umsetzungen gesprochen. Ich kann aber nur ein Klimaschutzkonzept erwähnen, das bisher nicht finanzierbar scheint. Ich bedauere, dass wir immer noch über Blütenträume reden anstatt eine CO2-Bilanz den Kosten gegenüber zu stellen. Wir fordern, die angestrebten Maßnahmen in ein Kosten-Ergebnis-Bild zu setzen. Damit meine ich: Welche Maßnahme können wir uns finanziell leisten und welche CO2-Ersparnis bringt diese. Wir müssen der CO2-Ersparnis entlang priorisieren und nicht die Priorität nach den jeweiligen Wahlprogrammen setzen. Nur dann erreichen wir Ziele, gestalten unser Schicksal und nehmen die Menschen mit. Wir setzen auf Anreize, auf ein Miteinander von Mensch und Natur, wir wenden uns gegen die Provokation und das Herbeireden sozialer Verwerfungen. Als Freie Demokraten wirken wir auf Landes- und Bundesebene daraufhin, den menschengemachten Klimawandel zu verlangsamen. Es muss um die Erreichung der von uns gesetzten Ziele gehen, wie der Klimaziele von Paris. Dazu bekennen wir uns als FDP-Fraktion ausdrücklich. Wir müssen diese Herausforderungen gemeinsam, auch europäisch und international meistern. Karlsruhe kann hier Vorbild sein und sollte diese Rolle auch annehmen. Kleinteilige Verbote sind nichts mehr als Symbole auf Kosten der gesellschaftlichen Akzeptanz.

Gleichzeitig wollen wir die organische Speicherung von CO2 vorantreiben. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, wo bleiben denn die innovativen Holzbauten in Karlsruhe? Das Land hat dazu sogar ein Programm aufgelegt. Hier können wir kommunal aktiv werden. Nebenbei erwähnt: unsere Idee zu künstlichen Bäumen zur Luftreinhaltung wurde hier im Rat nur belächelt.

Das KIT bietet uns für alle oben genannten Wege eine umfassende Expertise und wäre ein strategischer Partner. Lassen Sie uns innovativ denken. Innovativ sollten wir ebenfalls den Mobilitätssektor betrachten. Mobilität ist multimodal – und hier ist Karlsruhe gut aufgestellt. Multimodal heißt aber auch, dass das Auto dort, wo es im multimodalen Konzert sinnvoll genutzt wird, auch seine Berechtigung hat: Eine City Maut mag vielleicht in großen Städten, wie in London, Paris oder Mailand, ihren Sinn haben, keinesfalls aber im vergleichsweise kleinen Karlsruhe. Der ruhende Verkehr muss gesteuert werden, der öffentliche Raum ist nicht beliebig vermehrbar. Wir halten es deshalb für kontraproduktiv, Parkraum in Parkhäusern – die ja den öffentlichen Raum gerade nicht belasten – zu reduzieren. Sinnvoller wäre es eher, hier kaum genutzte Parkhäuser, wie am Festplatz oder unter dem Schlossplatz, attraktiver zu machen. Radabstellanlagen gehören nicht in die hierfür unattraktiven Parkhäuser. Diese müssen ortsnah angeboten werden. Warum nicht wie z.B. in Utrecht innerhalb geringgenutzter Geschäftsräume, kombiniert mit Einzelhandelsnutzungen?

Beim Gesundheitssektor muss ich ein Thema herausgreifen: Das Klinikum ist zum Sorgenkind geworden. Aus verschiedenen Gründen, wenn man genauer hinschaut. Wieso erhält das Klinikum Karlsruhe als das einzige Maximalversorgungshaus für die gesamte Region von der Landesregierung nicht den gleichen Ausgleich für die Corona bedingten Mindereinnahmen wie die anderen Maximalversorgungshäuser des Landes? Die zuständige Dezernentin entstammt doch der regierenden Partei. Wo ist der Gesprächsansatz? Dass andere als Universitätskliniken firmieren, rechtfertigt keinen Unterschied, der Versorgungsauftrag ist der Gleiche und die Auswirkungen der Pandemie auch. Und wieso muss denn die Kommune überhaupt erhebliche Steuermittel in das Klinikum einbringen, da doch nach geltendem Recht schwerpunktmäßig die Krankenkassen für den Betrieb und das Land für die Investitionen zuständig sind? Das beliebte Spiel, finanzielle Belastungen auf die Kommunen abzuwälzen, nur, weil die Rathäuser den Druck der Bürger eher spüren als die Ministerien – das ist kein gutes Spiel und sollte beendet werden. Die FDP-Fraktion steht zum Klinikum gerade in diesen unruhigen Zeiten, wir werden die Entwicklung solidarisch, zugleich aber auch kritisch begleiten.

Kritisch sehen wir aber auch die neuen Großprojekte in der nahen Zukunft. Sehr geehrter Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Gestaltung sollen wir in dieser Stadt denn noch vornehmen? Herr Bürgermeister Fluhrer hat mit dem „UFO“ noch keine fremden Galaxien erforscht und bringt schon den nächsten Entwurf auf dem Reisbrett zur Kunsthalle. Einer neuen sogenannten Stadterfahrung auf 95 Metern… Die Stadthalle steht immer noch als Bauruine herum und für die Sanierung der Europahalle erhalten wir jetzt einen Zuschuss vom Bund, der hoffentlich kein Tropfen auf den heißen Stein werden wird. Das ist keine Gestaltung. Bei all den gleichzeitig begonnenen Projekten fordern wir ein Aufgabenmoratorium. Die vorhandenen Personalressourcen müssen zielbewusst eingesetzt werden. Wir müssen selbstverständlich die bestehenden Projekte abarbeiten und dann erst Neue beginnen.

Abschließend möchte ich mich kurz den Aspekten Sicherheit und Sauberkeit in unserer Stadt widmen. Wir brauchen wesentlich stärkere Beleuchtung in Straßen und an Plätzen, an denen die subjektive Sicherheit leidet. Dies könnte ebenfalls einer zu großen Verschmutzung vorbeugen. Wir wollen, dass sich jeder in Karlsruhe sicher bewegen kann und sich ebenso sicher fühlt. Technik und Personal müssen hierfür auf den Prüfstand. Verschmutzungen, die die Aufenthaltsqualität in der Stadt schmälern, müssen rasch entfernt werden. Wir hoffen, dass die zukünftige Stadtmöblierung auch ausreichend Abfallbehälter vorsieht. Eine saubere und sichere Stadt ist auch ein erster Baustein für ein notwendiges, ganzheitliches Einzelhandelskonzept der Karlsruher Innenstadt.

Den Mitarbeitenden an diesem Entwurf des Haushaltsplans möchte ich meinen Dank aussprechen. Vielen Dank, dass sie uns dieses Werk vorgelegt haben und für unsere Rückfragen jederzeit zur Verfügung stehen.

An dieser Stelle möchte ich einen Punkt zur Personalverantwortung nennen, der eben auch mit dem Haushalt zu tun hat: Der Mangel an Personalverantwortung des amtieren Oberbürgermeisters in Teilen der Stadtverwaltung und beim Staatstheater erzeugt nicht nur persönliches Leid bei den Betroffenen, sondern verursacht auch unnötige Kosten, die ein „Gestalten“ nachhaltig verunstalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Immanuel Kant zitieren: „Der Ziellose erleidet sein Schicksal – der Zielbewusste gestaltet es.“ Herr Dr. Mentrup, alle von mir angesprochenen Aspekte wurden in Ihrer Amtszeit jedes Mal von der FDP-Fraktion kritisiert. Bisher waren allerdings die Kassen voll. Sogar ein Haushaltsstabilisierungsprozess hat stattgefunden. Am Ende Ihrer achtjährigen Amtszeit sind die Kassen leer. Nicht wir Stadträtinnen und Stadträte müssen die Schieflage des Haushalts erklären und gegensteuern, das ist die Aufgabe des Oberbürgermeisters. Der Ziellose wird sein Schicksal erleiden – die FDP-Fraktion fordert eine zielbewusste Kraft zur Gestaltung unserer badischen Residenz.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Haushaltsrede zum Haushalt 2021