Rede zum Doppelhaushalt 2022/23

 

Herr Oberbürgermeister, Frau Erste Bürgermeisterin,
meinen Damen und Herren,

mit der WIRTSCHAFT fängt der Haushalt an. Mit der Wirtschaft und den Unternehmern. Wir im Gemeinderat und in der Verwaltung haben kein Geld. Wir können nur die Steuergelder ausgeben, die wir haben, und wir entscheiden den Rahmen, aber die Basis für den Haushalt ist die Wirtschaft und sind die Unternehmer. Ganz prinzipiell und jedes Jahr und besonders dieses Jahr für den Haushalt 2022/2023. Wie Janus müssen wir unseren Blick in zwei Richtungen gleichzeitig richten. Nach hinten auf die Corona Realität und vorwärts auf Innovation und Stabilisierung und Modernisierung. Immer muss die Wirtschaft im Zentrum sein. Da gibt’s keine bessere Sozialpolitik als sichere Arbeitsplätze. Da gibt’s keine bessere Klimapolitik als eine technologieoffene Wirtschaft. (OB Klimaallianz mit der Wirtschaft.) Eine starke Wirtschaft ist nicht nur die Grundlage unseres Wohlstandes, sie ist auch Grundlage der politischen Handlungsfähigkeit. Als Freie Demokraten ist es uns wichtig, die Dinge im Zusammenhang zu denken, statt sie gegeneinander auszuspielen. Soziale Stabilität, effizienter Klimaschutz und erfolgreiche gesellschaftliche Transformationsprozesse gelingen am besten mit einer starken Wirtschaft und erfolgreichen Unternehmen im Rücken. Das Regierungspräsidium hat mit Recht unseren Haushalt 2021 kritisiert. Er ist in Schieflage geraten. In der letzten Haushaltsdebatte haben mehrere Kolleginnen und Kollegen die ideologische Fahne so hoch erhoben, dass der Bodenkontakt verloren gegangen war. Wir haben Fraktionen gehabt, die vor Kraft kaum noch laufen konnten. Wie die Erste Bürgermeisterin sagt: „aus einer Einliterflasche zwei Liter auszuschenken ist nicht möglich.“ Deshalb war es auch notwendig nachher Entscheidungen, besonders für ÖPNV, zu korrigieren.
Herr Oberbürgermeister, Frau Erste Bürgermeisterin, die Coronapandemie ist nicht vorbei. Viele Betriebe sind getroffen. Insbesondere der Einzelhandel, die Gastronomie und die Kultur- und Freizeitwirtschaft. Über 80% der Karlsruher Betriebe kämpfen mit negativen Corona Auswirkungen. Unsere Aufgabe ist es, die bestmöglichen Bedingungen für unsere Wirtschaft und unsere Unternehmer zu schaffen. Und wir müssen Firmenabwanderungen vermeiden. Mit Kreativität müssen wir Wirtschaft und Handwerk unterstützen. Die FDP SCHLÄGT VOR: die (1) Handwerkskammer Bildungsakademie auf dem jetzigen Standort zu modernisieren und zu vergrößern oder das Pfizergelände zusammen mit der Handwerkskammer zu entwickeln. Proaktiv können wir wieder für Wirtschaftswachstum arbeiten.
Eine Verpackungssteuer können wir nach der Entscheidung von dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim diskutieren, aber eine Erhöhung der Gewerbesteuer passt hier so schlecht wie ein Boxhandschuh auf ein blaues Auge.
Herr Oberbürgermeister, Ihre Haushaltsrede ist 20 Seiten lang. 8 Seiten benutzen Sie für KLIMASCHUTZ. Im Jahr 2022 benutzen wir 27 Millionen Euro und 2023 benutzen wir 34 Millionen für Klimaschutz und geplant sind 20! neue Stellen für Klimaschutz. Wir haben keine Gemeinderatssitzung ohne Klimaschutz auf der Tagesordnung. Trotzdem erleben wir immer und immer Klimademonstrationen, wo auf den Schildern zu lesen ist, dass wir Politiker die Klimakrise nicht ernst nehmen. Nur BLA BLA BLA. Und wir haben Kolleginnen und Kollegen hier im Saal, die jede Kritik gegen unser Klimaschutzprojekt nicht nur als eine persönliche Beleidigung, sondern auch als moralisch und ethisch unverantwortlich betrachten.
Ich denke, dass ich mir vermutlich besser als die meisten erlauben kann, persönlich über Klimaschutz zu sprechen. Wegen meiner ehemaligen Arbeit in dem arktischen Gebiet wurde es mir sehr früh schmerzlich bewusst, wie es um die drohende und reelle Klimaänderung steht. Ich denke, dass Sie, Herr Oberbürgermeister, bestätigen können, dass ich mich seit Jahren bundesweit für CO2 freie Stadtquartiere einsetze und dass ich global via European Organization for Sustainable Development für Nachhaltigkeit in der Finanzwelt arbeite. Karlsruhe ist zentral für diesen Einsatz und Karlsruhe -und Sie persönlich- stehen in vielen Ländern als Garant für Nachhaltigkeit. Am 2. und 3. Dezember haben wir zum 11ten mal eine globale Konferenz mit mehreren Hunderten Politikern und Finanzleuten aus der ganzen Welt. Thema ist wieder Nachhaltigkeit in der Finanzwelt mit Karlsruhe im Fokus. Zusammen sind wir im Advisory Bord für das EU-Klimaprojekt SophiA. Leider sind diese Aktivitäten in Karlsruhe selbst wenig bekannt.
Die FDP nimmt in Karlsruhe und global die Klimaänderung sehr ernst. Trotzdem müssen drei Bemerkungen erlaubt sein.
1) Klimapolitik ist nicht heilig, sondern muss auch priorisiert werden und Effizienz¬-Kontrolle akzeptieren. Man muss Klimapolitik auch mit kühlem Kopf angehen dürfen.
2) Es ist für unsere Demokratie gefährlich und lähmend, falls ein einziges Thema die politische Debatte dominiert. Als ich Gymnasiast war, haben wir nicht Friday for Future gehabt, aber wir haben gegen Kernwaffen und gegen den Vietnam-Krieg als 68’er Generation demonstriert. In den letzten Jahren haben Flüchtlinge, Corona und Klima den politischen, demokratischen Dialog in Monologe geändert.
3) Klimaschutz ist nur sinnvoll, wenn es international und technologieoffen durchgesetzt wird.

Mit Stolz haben wir den Alten Schlachthof als ein Gründerzentrum für Kultur-Aktivitäten entwickelt.
Die FDP unterstützt gerne Majolika als Kunst -und Kulturinstitution mit 150.000 Euro jährlich…ohne Sperrvermerk.
Karlsruhe ist nicht Glasgow, aber die FDP SCHLÄGT VOR (2) rund um und unabhängig von, Majolika in den großen maroden Gebäuden ein Karlsruher Gründerzentrum für Nachhaltigkeit mit privaten Investoren zu entwickeln.

WOHNEN, sogar BEZAHLBARE WOHNUNGEN ist wahrscheinlich ein am häufigsten benutzter Ausdruck
in der kommunalpolitischen Debatte. Das Wort findet man nur ein einziges Mal in der Haushaltsrede vom Oberbürgermeister und es kommt in der Rede von der Finanzbürgermeisterin überhaupt nicht vor. Es ist auch ein schwieriges Thema, aber ein notwendiges Thema.
Wir brauchen mehr Wohnungen. Wir müssen mehr Wohnungen bauen. Eine Grundsteuererhöhung macht bezahlbare Wohnungen zu einem totalen Klischee. Aber mit Kreativität und Mut muss man die zwei größten Verhinderungen überwinden. Das erste Hindernis: Wir haben nahezu keine freien Flächen in Karlsruhe. Das zweite Hindernis ist die größte Bewegung in der Welt, nämlich NOT IN MY BACKYARD. Das Florianprinzip.
Wir Liberalen wollen wieder Leben in unsere Innenstadt bringen und mit Kreativität können wir entwickeln, umbauen und erneuern und damit Wohnungen in der Innenstadt realisieren.
Das Städtische Klinikum will ihre Psychiatrische Abteilung in das Klinikgebäude integrieren. Wir unterstützen absolut die Neuaufstellung unseres Klinikums. Die psychiatrische Klinik liegt jetzt in der Kaiserallee auf 28.000 Quadratmeter Fläche. 28.000 Quadratmeter! Eigentümer ist unser Freund, nämlich „THE LÄND“. Die FDP SCHLÄGT VOR (3) mit THE LÄND zu verhandeln und hier ein ganz großes CO2 freies Stadtquartier zu bauen. So eine Herausforderung braucht Investitionskapital von der Volkswohnung. Auch deshalb wäre es falsch und kurzsichtig Gewinnausschüttung von der Volkswohnung zur Haushaltsverbesserung zu benutzen.
„Die Stadtgesellschaft erwacht..mit neuem Schwung“ (OB).
Ja, wir müssen unsere Stadt, wieder, attraktiv machen. Lassen Sie uns ehrlich konstatieren, dass unsere Innenstadt mehr und mehr eine Wüste wird, mit wenig Aufenthaltsqualität. Die Kombilösung gibt uns die Möglichkeit unsere Innenstadt weiterzuentwickeln. Ein neues attraktives Zentrum entsteht rund um das Ettlinger Tor mit Badischem Staatstheater, das Landratsamt und rund um den Rondellplatz. Aber die Kaiserstraße (übrigens auch die Karlstraße) mit Leerstand ehemaliger Ladengeschäfte müssen wir..und ich sage WIR, weil die Innenstadt wieder ein identitätsstiftendes Zentrum für Wohnen, Arbeiten, Wirtschaft, Kultur und Bildung werden muss, wiederbeleben. Leider müssen wir feststellen, dass der Respekt vor dem öffentlichen Raum nachlässt. Durch die Kombilösung, aber auch durch rücksichtslose technische Einbauten sind die versiegelten Flächen angewachsen, haben sich Schaltkästen, Lüftungsklappen, Abspannmasten etc. unkontrolliert breit gemacht und den öffentlichen Raum verunstaltet. Dass es auch anders geht, zeigen uns andere Städte. Hieran sollte sich Karlsruhe ein Beispiel nehmen. Funktion muss gewährleistet sein, aber, was funktioniert, ist eben nicht „a priori schön“. „Respekt“ war Schlagwort im Wahlkampf. Respekt vor dem öffentlichen Raum fängt mit der öffentlichen Gestaltung an.
Wir stehen zu dem Mobilitätskonzept, wie es nach dem Szenario „Stadtverträglichkeit“ im Verkehrsentwicklungsplan in diesem Hause einstimmig verabschiedet und von dem, aus allen gesellschaftlich relevanten Gruppen bestehenden, bürgerschaftlichen Begleitgremium ebenso einstimmig verabschiedet wurde. Dieses Konzept hat sich nicht ohne Grund von der Illusion verabschiedet, es könnte autofreie Innenstädte geben. Richtig ist: das Auto ist nicht das vorherrschende Verkehrsmittel. Fußverkehr, Fahrrad, ÖPNV und Auto müssen stadtverträglich einander ergänzen und so eingesetzt werden, wie es in der Stadt der kurzen Wege angemessen und sinnvoll ist.
Rund um unsere Innenstadt hat Karlsruhe das große Privileg von unserem Stadtwald umgeben zu sein. Die FDP-Fraktion sorgt sich weiter um den Stadtwald, der zwar 2021 eine gewisse Verschnaufpause aufgrund der Witterung erlebt, der jedoch im Anhalt an das vorliegende Waldanpassungskonzept in den kommenden Jahren umgebaut werden muss. Nur teilweise stehen für die schadensbedingten Folgen und Wiederaufforstungen Fördermittel zu Verfügung. Auch wenn wir auf die Naturverjüngung setzen, müssen die notwendigen Mittel für die Sicherung der Waldzukunft bereitgestellt werden. Erfreulich ist dabei, dass bei Baumpflanzungen im Wald auch Sponsoren unterstützen wollen. Unser Forstpersonal steht hier großen Herausforderungen gegenüber und bedarf der Unterstützung des gesamten Gemeinderats. Umweltpolitik kriegt man nicht umsonst.
Frau Erste Bürgermeisterin, in Ihrer Rede nennen Sie nur mit einem Wort „Leistungseinschränkungen“ und „Digitalisierung“. Lassen sie uns ehrlich sein. Deutschland hat sich in den letzten Jahren deutlich digital zurückentwickelt und wir sind in Sachen digitale Wettbewerbsfähigkeit nur auf dem vorletzten Platz in Europa. Schlechter schnitt nur Albanien ab. Auch in Karlsruhe ist unsere digitale Entwicklung peinlich. Nichts daran lässt sich schönreden. Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren müssen schneller werden. Die Verwaltung muss agiler und digitaler agieren. Die Verwaltung muss sich vor allem an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürgern sowie der Unternehmen orientieren und nicht länger an den Anforderungen der Administration. Wir machen Verwaltung für Menschen, nicht Verwaltung für Verwaltung. Digitale Anwendungen müssen künftig konsequent mitgedacht und realisiert werden.
Leistungen und Aufgaben müssen kritisch analysiert werden und Doppelstrukturen verhindert werden. Es geht allen Menschen, auch Ministerpräsident Kretschmann und mir, „auf den Wecker“, dass alles so lange dauert. Vielleicht ist es auch Zeit zu fragen, ob die einzelne Eidechse oder Sie, Herr Oberbürgermeister, das Verwaltungstempo in Karlsruhe bestimmen. Gleichzeitig, liebe CDU und Grüne, müssen Sie bitte Ihrer Regierung in Stuttgart Druck machen, dass Landesvorgaben ausreichenden Ausgleich bekommen. Mit der Unterstützung der FDP können Sie rechnen. Wir müssen auch die Luft aus unserem Haushalt herauslassen und Haushaltsreste begrenzen.
Welche Aufgaben sind amtlich vom Rathaus zu steuern? Abfallwirtschaft wird hoffentlich besser im Eigenbetrieb. Das ist notwendig!
Das Wildparkstadion ist auch im Eigenbetrieb. Wir sind alle mit unserem Zoologischen Stadtgarten sehr zufrieden, aber ist es eine amtliche Aufgabe einen Zoo zu betreiben?Die FDP SCHLÄGT VOR (4): zu prüfen, ob sich der Zoologische Stadtgarten im Eigenbetrieb noch besser entfalten könnte.
Die Vielfältige Kulturszene Karlsruhes muss erhalten bleiben. Ein Kultursterben gilt es zu verhindern. Deshalb sind wir sehr kritisch kulturellen Einsparungen gegenüber und beispielsweise finden wir die finanzielle Abschmelzung unseres traditionsreichen Fastnachtsumzugs humorlos und kulturlos.
Der Sport mit seinen eigenverantwortlichen „besitzenden Vereinen“ entlastet die Stadt finanziell und strukturell. Dieses Modell sollen wir weiterentwickeln. Aber, Herr Bürgermeister Lenz, wir können uns wirklich wünschen, dass Ihr Dezernat ein bisschen entscheidungsfreudiger wäre. Die Entwicklung rund um Leichtathletik war nicht schön und bis jetzt haben wir keine klare Strategie für unseren Hallenbedarf, inklusive das auf den Sankt Nimmerleinstag verschobene Adolf-Ehrmann-Bad in Neureut. Wir müssen bitte Mut für dauerhafte Lösungen fordern.
Die peinliche Entwicklung für die Europahalle- und noch mehr desaströs für die Stadthalle- kostet nicht nur Geld, viel Geld, aber auch einen substanziellen Vertrauensverlust unserer Bürger sowohl unserer Verwaltung als auch uns Politikern gegenüber.
Die Ökumenische Generalversammlung ist auch für uns eine wichtige internationale Begegnung. Aber Herr Oberbürgermeister, Sie haben doch auch persönlich einen sehr viel weiteren Blick für Internationalität. Sie haben sogar eine Stabsstelle für Internationalität. Internationalität braucht nicht Geld zu kosten. Gerade heute, am 9. November, sollen wir Vielfalt und Internationalität würdigen. Internationalität erweitert unsere Möglichkeiten auch für unseren Haushalt. Leider ist es eine Realität, dass Karlsruhe lokal und Karlsruhe international sich gegenseitig kaum kennen und nur selten in einen echten Dialog treten.
Sehr viele von unseren wunderbaren, internationalen Firmen und Unternehmen und Menschen leben in eigenen internationalen Kreisen , ohne sich für unser wunderbares Karlsruhe zu engagieren oder es überhaupt wahrzunehmen. Sehr viele unserer Bürger sehen sich selbst und unsere wunderbare Stadt nicht in internationaler Perspektive und Zusammenhang. Man könnte sich auch in der finanziellen Bedeutung gegenseitig bereichern. Visionen sind nicht verboten…auch nicht in einer schwierigen Haushaltsdebatte.

Tom Hoyem. Fraktionsvorsitzender FDP.

 

„Nie gab es mehr zu tun“